Was braucht der Soldiner Kiez?
himmelbeet Presse
Wer im Soldiner Kiez wohnt oder aktiv ist, weiß schon, wie es ist: heiß im Sommer, laut, dreckig, dicht gebaut - Eine Oase ist unser Kiez nicht wirklich.
Der IHEK (für Integriertes Handlungs- und Entwicklungskonzept) Soldiner Kiez 2022-2025 zufolge sind diese Eindrücke nicht falsch. Schauen wir uns einige Fakten aus dem Bericht an:
- Die Berlinweite Wohnungskrise macht auch vor dem Soldiner Kiez nicht halt: Der durchschnittliche Quadratmeterpreis im Soldiner Kiez liegt bei 16,24 € (2022), und ist zwischen 2018 und 2022 um circa 30 % gestiegen. Das ist besonders problematisch in einem Kiez mit hoher Armut und Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig sind viele Gebäude leer und/oder leiden unter starker Verwahrlosung.
- Kinder sind besonders betroffen. Es gibt im Kiez 65,40 % Kinderarmut (2020) vs 26,28% in Berlin. Das bedeutet auch mehr chronische Krankheiten, Unfallverletzungen und psychische Gesundheitsprobleme.
- Die Vermüllung ist auch problematisch, z.B. auf den Spielplätzen, aber auch auf den Gehwegen.
- Der Kiez ist von Umwelt-Ungerechtigkeit stark betroffen. Lärm, Luftverschmutzung, thermische Belastung (durch dichte Bebauung) und schlechter Zugang zu Grünflächen bilden einen Giftcocktail, der zu erhöhten Gesundheitsrisiken führt.
Lösungen
Der Bericht nennt auch Lösungen, die bereits existieren, in Kürze existieren werden oder angestrebt sind. Spielplätze, Grünflächen, öffentliche Räume im Kiez brauchen insgesamt Mehr: Mehr Platz, mehr Geld, mehr Schulgärten. Mehr Tauschboxen. Mehr Vernetzung. Mehr Angebote und Plätze für Kinder und Jugendliche. Mehr Entsiegelung. Nur so können Begegnungen, ein Miteinander und auch ein besseres Klima entstehen.
Der Bericht nennt auch Initiativen und Orte, die wesentliche Räume und Leistungen für die Nachbarschaft anbieten: Familienzentren, Beratungsstellen, Orte, an denen man sich sportlich betätigen und an die (mehr oder weniger) frische Luft gehen kann. Einige davon sind QM-Projekte, andere wurden mit anderen öffentlichen Mitteln gefördert. Viele funktionieren mit dem absoluten Minimum und einer Menge ehrenamtlicher Arbeit.
Klima im Kiez
Im QM Projekt Klima im Kiez geht es darum, die Anwohner*innen und Initiativen des Soldiner Kiezes für die Themen Klimagerechtigkeit, Klimaschutz und Klimaanpassungen zu sensibilisieren, netzwerken, aktivieren und unterstützen.
Das klingt voll gut. Das klingt nach einer möglichen Lösung, oder zumindest ein Teil davon. Aber kann das funktionieren, wenn Menschen in kleinen, unsanierten Wohnungen leben? Wenn Menschen sich kein gesundes Essen leisten können? Wenn Eltern sich nicht am Schulleben beteiligen, weil sie Opfer von diskriminierendem Verhalten sind?
Wir sollten uns nicht wundern, wenn wir Schwierigkeiten haben, viele Bewohner*innen unseres Kiezes zu erreichen. Wir bedauern es, sie nicht in unserem Gemeinschaftsgarten ElisaBeet zu sehen oder an unseren Aktionen auf der Straße teilzunehmen, aber wir geben ihnen nicht die Schuld.
Strukurelle Veränderungen
Eine tiefgreifende Veränderung ist notwendig. Zum Beispiel eine Kontrolle über die Miet- und Energiepreise. Eine umfassende Umstrukturierung der öffentlichen Verkehrspolitik. Während der Autoverkehr oft als Ursache vieler Probleme genannt wird, werden Lösungen zur Reduzierung davon kaum erwähnt. Neben Maßnahmen zur Förderung der Fahrradnutzung ist ein bezahlbarer, praktischer und zuverlässiger öffentlicher Verkehr notwendig. Es sollten mehr Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit ergriffen werden.
Dann machen die Spielstraße und die Begrünungsmaßnahmen noch viel mehr Sinn. Nicht als sporadische Maßnahmen, nicht als David gegen Goliath, sondern als Teil einer lebendigen Utopie, als Verbesserung der Lebensqualität im Kiez, einem Kiez, der sich auch mit den systemischen und grundlegenden Problemen auseinandersetzt.
Quelle: IHEK Integriertes Handlungs- und Entwicklungskonzept 2022-2025 (soldiner-quartier.de)